Interview zu Waldgeflüster

Herausragendes Artwork:
“Waldgeflüster” von Lisa Rau

Interview von Anne M. Delseit

COMIC!: Hallo Lisa, vielen Dank, daß du dir Zeit für dieses Interview nimmst! Wie bist du zum Comic gekommen?

Lisa Rau: Hallo, ich freue mich über das Interview! Zum Comic bin ich schon als Kind durch die kleine Sammlung meiner Eltern gekommen, darunter waren viele Klassiker wie “Mickey Maus” und “Donald Duck” -– als Hardcover-Jubiläumsausgabe, die Abenteuer darin haben mich sehr fasziniert –, “Asterix”, “Tim und Struppi”, “Marsupilami” und mehr. In der Grundschule begann ich damit, Bildergeschichten zu zeichnen, aber eher in Bilderbuchform. Zum Zeichnen eigener Comics kam ich erst zur Jahrtausendwende durch Manga. Vor allem nach der Lektüre von Akira Toriyamas “Manga-Zeichenkurs” war ich motiviert, mich selber an Comics zu probieren und dabei unter anderem auf korrektes Format und professionelles Material zu achten.

COMIC!: Was fasziniert dich an der Comicspielart Manga?

Lisa Rau: Ursprünglich kam ich als Teenager durch “Sailor Moon” zum Manga und war durch die sehr verträumte, mystische, leichte Optik fasziniert. Die Lineart ist sehr filigran und wird durch die Rasterfolie nur akzentuiert, während im klassisch westlichen Comic die flächige Kolorierung die Dynamik in der Lineart oft überdeckt und zu einer eher klobigen Wirkung führt. Bis heute mag ich am Manga die Varianz und Dynamik in der Seitengestaltung, Panelgröße und den Bildausschnitten. Momentan bin ich aber weniger auf Manga fixiert, sondern liebe vor allem die Mischstile, die sich inzwischen aus Comic und Manga gebildet haben.

COMIC!: Gibt es bestimmte Künstler oder Werke, die dich geprägt oder inspiriert haben?

Lisa Rau: Im Laufe der Zeit hat man so viele Einflüsse, daß es wirklich schwierig ist, die wichtigsten herauszufiltern. Der erste große Einfluß war “Sailor Moon”, dadurch war ich motiviert, feine Linearts und saubere, weiche Kolorierungen zu lernen. Wenig später kamen auch Manga dazu, die klassischerweise eher an Jungs gerichtet sind: “Dragon Ball”, “One Piece” und “Naruto”. Das brachte mich dazu, auch mit dickeren Lines und Schraffuren zu experimentieren, die Proportionen von Gesicht und Körpern etwas kompakter zu gestalten.
Ich war sehr beeindruckt von der Atmosphäre in den Storys von Setona Mizushiro, z. B. “Tag X” und “After School Nightmare”. Letztendlich tendiere ich aber weniger zu den düsteren Storys, sondern eher zu den lebensfrohen und phantasiereichen. Optisch und inhaltlich sind die Spielereihe “Legend of Zelda” und die Ghibli-Filme immer wieder wichtige Inspirationsquellen. Aktuell bin ich wie gesagt besonders Fan von Künstlerinnen, die meiner Meinung nach durch die Vermischung von Comic und Manga sehr schöne neue Stile hervorgebracht haben. Da begeistern mich insbesondere folgende Werke: “Bran”, gezeichnet von Maike Plenzke, “Massu Schmiedstochter” von Ines Korth, “Home” von Anja Uhren, “Antoinette kehrt zurück” von Olivia Vieweg, “Hearts for Sale” von Miyuli, die Werke von Aurore, “Kletschmore” von Annelie Wagner und so weiter.

COMIC!: Dein Comic “Waldgeflüster” wurde beim diesjährigen ICOM-Preis für “Herausragendes Artwork” ausgezeichnet. Könntest du die Handlung in deinen eigenen Worten zusammenfassen?

Lisa Rau: Das Mädchen Anouk lebt allein mit dem Fuchs Tam im Wald. Tam ist ihr Totemtier und ständiger Begleiter. Eines Tages tauchen Dämonen aus der Tiefe des Waldes auf und bedrohen Anouk. Als die Attacken nicht abreißen, möchte sie heraus finden, woher die Dämonen kommen und was dahinter steckt.

COMIC!: Wie bist du auf die Idee zu “Waldgeflüster” gekommen?

Lisa Rau: Während einem sehr ausgedehnten Spaziergang mit meiner Familie bekam ich Lust, einen Comic mit Wald-Setting zu zeichnen. Ich liebe beispielsweise den Film “Prinzessin Mononoke”. Noch auf dem Weg entstanden die ersten Ideen für “Waldgeflüster”, und ich fing an, mit meinem Onkel darüber zu reden, daß ich einen Comic über ein Mädchen im Wald mit einem Begleiter-Tier machen möchte. Daraufhin erzählte er mir von Totemtieren aus dem Schamanismus und gab mir dazu ein paar Hintergrundinformationen. Diese wurden sogleich in die Geschichte eingeflochten. Die Idee reifte dann noch ein paar Wochen in meinem Kopf, bis ich sie schließlich während des 24-Stunden-Comic-Tags im Oktober als konkretes Comicskript zeichnete.

COMIC!: Hast du dann noch weiter zum Thema Totemtier recherchiert?

Lisa Rau: Ein wenig, allerdings nur oberflächlich. Es ging mir nicht darum, Schamanismus realistisch darzustellen. Generell mag ich aber Anleihen aus alten Kulturen und Mythen als Grundlage für Storykonzepte und zur Anreicherung der Welten.

COMIC!: Wie hast du die Zeichenmaterialien für das Projekt ausgewählt?

Lisa Rau: Ich wollte auf jeden Fall Farbe im Comic haben, aber aufgrund der beschränkten Zeit auf dem 24-Stunden-Comic-Tag beschränkte ich mich auf Bleistift und grüne Ecoline-Tinte. Ich hätte den Comic gerne ganz in Farbe gemacht, um die schillernden Farben von Blattwerk, Geäst, Moos und Himmel darzustellen. Aber es sollte ja nur ein kleines Projekt für den 24-Stunden-Comic-Tag sein, da war klar, daß ich das auf keinen Fall schaffen würde. Also entschloß ich mich dazu, mich auf die wichtigste Farbe im Wald – Grün – zu reduzieren.

COMIC!: Wie sind die Seiten von “Waldgeflüster” entstanden?

Lisa Rau: Als allererstes habe ich ein kurzes Skript geschrieben, um grob zu bestimmen, was auf welchen Seiten passieren soll. Dann zeichnete ich auf DIN A5 kleine Layouts der Seiten. Die richtigen Seiten zeichnete ich mit Bleistift auf dickes DIN-A4-Papier. Dabei nutzte ich vor allem für den Fuchs und die Hintergründe einige Fotoreferenzen. Anschließend wurden die Zeichnungen mit Ecoline-Tinte koloriert. Die Textelemente und Soundwords fügte ich erst am PC hinzu.



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